IT-Partner wieder am Netz

Sabrina Jozwig 2. Mai 2022
nachgestellt Krisenstab SIS_KSM

SIS und KSM meistern den Zieleinlauf nach Cyberangriff und Rückkehr zum Normalbetrieb

Die Zielgrade ist überquert – Es ist geschafft. Seit der Cyberattacke im Oktober 2021 ist ein halbes Jahr vergangen. Gemeinsam hat die SIS im Verbund mit der KSM viele Hürden erfolgreich gemeistert und ist als kommunaler IT-Unternehmensverbund gestärkt aus der Krisensituation hervorgegangen. Die Fachverfahren und Anwendungen, welche die Grundlage für die Dienstleistungen der Verwaltung bilden, sind wieder verfügbar. Nach dem „Marathon mit den Sprintelementen“ sprachen wir mit KSM-Vorstand Matthias Effenberger, dem Landrat aus dem Landkreis Ludwigslust-Parchim Stefan Sternberg sowie dem Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Schwerin, Rico Badenschier.

hauspost: Herr Effenberger, wie fühlen Sie sich so unmittelbar nach dem Zieleinlauf?

Matthias Effenberger: Ehrlich gesagt: Geschafft und zugleich stolz auf das, was wir im Rahmen der Krise geleistet haben. In den vergangenen sechs Monaten haben wir enorme Kraft in die Wiederherstellung eines sicheren IT-Betriebes für unsere Kunden und Trägerkommunen gesteckt. Die vielfältigen Hürden haben gezeigt wie wichtig es ist, zusammenzuhalten und gemeinsam nach vorne zu blicken. Einen großen Dank möchte ich an die Mitarbeiter aussprechen. Sie alle haben über ihre Arbeitszeit hinaus sehr viel Zeit und Engagement investiert.

hauspost: Sowohl für die Bürger als auch für Ihre Verwaltungsmitarbeitenden hatte die Krisensituation weitreichende Auswirkungen. Herr Dr. Badenschier, Herr Sternberg: Was waren die größten Herausforderungen?

Rico Badenschier: Auf Basis unserer Notfallstrategie mussten wir zunächst etliche Sofortlösungen für unsere Bürgerservices aufbauen. In enger Abstimmung mit unseren Fachdiensten wurde mit Hochdruck an Alternativangeboten für die Schweriner gearbeitet, zum Beispiel mit klassischen Papierformularen oder durch die Inanspruchnahme von Amtshilfen anderer Einrichtungen. Darüber hinaus musste in kritischen Bereichen, wie etwa bei den Sozialleistungen, der Zahlungsverkehr aufrechterhalten werden. Hervorzuheben ist, dass wir lediglich an zwei Tagen schließen mussten und in kürzester Zeit mit den forensischen Untersuchungen der PCs und Notebooks begonnen wurde.
Stefan Sternberg: Wie in jeder Krisensituation galt es, die nötige Ruhe zu bewahren. Informationsflüsse mussten aufgebaut und Priorisierungen vorgenommen werden – von Anfang an standen wir in enger Abstimmung mit dem Krisenstab der SIS/KSM. Dabei konnten wir uns auf das Know-how unserer Fachleute verlassen, welche im direkten Austausch mit den hinzugezogenen Cyber-Spezialisten standen.
Rico Badenschier: Nicht zu vergessen waren natürlich die zusätzlichen Herausforderungen durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Anforderungen an das dezentrale Arbeiten im Homeoffice. Stefan Sternberg: Und auch anderen aktuellen Situationen, wie etwa der Schweinepest, musste Rechnung getragen werden. Zeitweise hatten wir verwaltungsseitig drei Krisenstäbe eingerichtet.

hauspost: Wie schätzen Sie als Landrat beziehungsweise Oberbürgermeister die Zeit der Krisenbewältigung ein? Welche Konsequenzen haben Sie abgeleitet?

Stefan Sternberg: Ich verstehe natürlich den Unmut der Bürger, als Leistungen nicht wie gewohnt zur Verfügung standen und es zu Verzögerungen gekommen ist. Dennoch ist es uns zügig gelungen, Notlösungen aufzubauen und auch die Dienstleistungen wieder an den Start zu bekommen. Rico Badenschier: Das kann ich nur bestätigen. Die Krise hat uns zudem gezeigt, wie hoch unser Digitalisierungsgrad mittlerweile ist. Digitalisierte Prozesse sind in vielen Bereichen der Verwaltung nicht mehr wegzudenken, die papierlose Nutzung von Serviceleistungen hat einen hohen Stellenwert bekommen. Viele kommunale Leistungen erfordern dahingehend hochmoderne IT-Systeme mit vielen technischen Hürden und Abhängigkeiten. Dementsprechend müssen wir unsere IT-Notfallstrategie konsequent fortschreiben.

hauspost: Eine Frage, die immer wieder im Raum steht: Haben Sie zu wenig in die IT- Sicherheit investiert, Herr Effenberger?

Matthias Effenberger: Nein. Das Thema IT-Sicherheit nimmt seit Jahren einen enorm hohen Stellenwert bei uns ein und wir haben jedes Jahr viel Geld in moderne Sicherheitsinstrumente investiert. Als kommunaler IT-Dienstleister verfügen wir über eine ausgeklügelte und gut abgesicherte IT-Landschaft und entsprechende Sicherheitssysteme. Dennoch ist hundertprozentige Sicherheit unmöglich und wir befinden uns immer im Wettlauf mit potentiellen kriminellen Angreifern.

hauspost: Gibt es schon abschließende Erkenntnisse zu möglichen Datenabflüssen, den Tätern und der konkreten Schadenhöhe?

Matthias Effenberger: Ein Datenabfluss aus kommunalen Fachanwendungen wurde im Rahmen der Forensik nicht festgestellt. Die Methodik der Täter ist unter „DeepBlue-Magic“ bekannt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern nach wie vor an. Die Aufbereitung der Schadenhöhe beziehungsweise der Kosten zur Wiederherstellung ist noch nicht abgeschlossen.

Der ambitionierte Blick geht klar nach vorne

Spagat zwischen Krisennachbereitung sowie laufendem Betrieb und Projektgeschäft gelingt erfolgreich

hauspost: Welche Nacharbeiten ergeben sich aus der Cyberkrise und welche Konsequenzen wurden gezogen?

Matthias Effenberger: Wir werden unser Netzwerk zu einer sogenannten „Zero-Trust“- Umgebung – vertraue niemandem, verifiziere jeden – fortentwickeln. Dazu wurden im Zuge des Wiederanlaufs erste Schritte gemacht, dennoch ergeben sich jetzt noch verschiedene Feinjustierungen, um Sicherheitsmechanismen noch effektiver einsetzen zu können. Neben technischen Vorkehrungen werden wir darüber hinaus weiterhin auf die Sensibilisierung der Nutzer setzen.

hauspost: Blicken wir in die Zukunft. Sind in der nächsten Zeit Projekte geplant?

Rico Badenschier: Wir haben beispielsweise den Neustart unserer Online-Termin- vergabe genutzt, um das Angebot breiter zu fächern und weitere Fachdienste einzubinden. Zudem wurde die Dokumentenausgabe im Bürgerservice erweitert, mit der Dokumentenausgabebox können die Bürger ihren Personalausweis oder Reisepass künftig jederzeit abholen. Beim Ausbau unserer Online-Dienste wollen wir ebenso weiter vorankommen. Dies gilt auch für die Etablierung digitaler Akten in den unterschiedlichen Fachbereichen, möglichst mit direkter Anbindung an die jeweiligen Verwaltungsprozesse und Dienstleistungen.
Stefan Sternberg: Um nur einige zu nennen: In der gemeinsam mit der Landeshauptstadt betriebenen KFZ-Zulassungsbehörde steht die Einführung eines neuen Fachverfahrens auf dem Programm. Gleiches gilt für den Bereich Führerscheinwesen, natürlich auch hier mit den entsprechenden Online-Komponenten. Mit dem für Herbst geplanten Bezug des
StartUp-Centers „DeveLUP“ in Ludwigslust ist ebenfalls eine moderne IT-Ausstattung vorgesehen.
Matthias Effenberger: Darüber hinaus planen natürlich auch noch weitere kommunale Träger und Kunden verschiedene Projekte. Unser Projektvorlauf ist gut gefüllt und wir müssen zusehen, entsprechende Ressourcen zu binden.

hauspost: Ist der Weg eines gemeinsamen kommunalen IT-Dienstleisters auch nach dem Cyberangriff immer noch der richtige?

Stefan Sternberg: Ganz klar ja! Und da spreche ich – glaube ich – auch für die verschiedenen angeschlossenen Verwaltungen aus dem Landkreisraum. Ohne einen kompetenten kommunalen IT-Partner an unserer Seite wären die Auswirkungen eines Cyberangriffs viel gravierender gewesen.
Rico Badenschier: Die Bündelung der vorhandenen Ressourcen steht vor dem Hintergrund des weitreichenden Fachkräfte-mangels im IT-Sektor nicht in Frage. Dies gilt auch für den kommunalen Bereich. Vielmehr wird es darauf ankommen, IT-Sicherheit weiterhin als gemeinsame Aufgabe zu verstehen, gerade auch im Hinblick auf den Bereich der kritischen Infrastruktur und der Sensibilität unserer Daten.

hauspost: Wie schätzen Sie vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise die aktuelle Bedrohungslage ein?

Matthias Effenberger: In der Tat wirkt sich der Krieg in der Ukraine auch auf die Sicherheitslage im Bereich der Cyberkriminalität aus und wir bekommen verstärkt ernstzunehmende Warnhinweise der IT- Sicherheitsbehörden. Identifizierte potenzielle Sicherheitslücken werden von einem eigens geschaffenen „Security-Team“ innerhalb von wenigen Stunden bewertet und dementsprechende Sofortmaßnahmen eingeleitet. Unser „Security-Team“ beobachtet tagesaktuell die Entwicklungen und steht im regelmäßigen Austausch mit den entsprechenden Kontaktpersonen auf Bundes- und Landesebene.

hauspost: Gibt es in Auswertung des Cyberangriffs weitere organisatorische Konsequenzen im Hinblick auf ein zukünftiges Notfallmanagement?

Matthias Effenberger: Selbstverständlich werden wir unsere Notfallstrategie in Auswertung und Analyse der Krisenbewältigung fortschreiben. Dabei wird es auch darauf ankommen, Informationsflüsse zwischen den verschiedenen Krisenstäben zu verfestigen und spezielle Notlösungen für verschiedene Ausfallszenarien bereitzuhalten.
Stefan Sternberg: Auch in der Cyberkrise haben wir bereits aus unseren Erfahrungen aus der Corona-Pandemie, dem Waldbrand in Lübtheen oder auch der Hochwassersituation an der Elbe profitieren können. Der Unterschied bei einem Cyberangriff ist, dass man die Gefahr nicht sehen kann.

hauspost: Kommunale Verwaltungen werden spürbar digitaler. Hat der Cyberangriff Auswirkungen auf die Digitalisierungsstrategie von Kommune und Landkreis?

Rico Badenschier: Natürlich werden wir bei anstehenden Digitalisierungsprojekten immer entsprechende Notfallszenarien im Hinterkopf haben müssen. An der grundsätzlichen Ausrichtung hin zu einer modernen und bürgerfreundlichen Verwaltung einschließlich digitaler Beantragungs-, Informations- und Bearbeitungsprozesse halten wir natürlich fest.
Stefan Sternberg: Bei uns als einem der größten Landkreise Deutschlands sieht es ganz ähnlich aus. Der Cyberangriff wird uns in unseren Digitalisierungsbestrebungen nicht aufhalten. Auch die Verzahnung zwischen uns als Landkreis und den Städten und Ämtern im Landkreisraum – auch mit unseren kooperativen Bürgerbüros – wird fortgesetzt werden. Hierfür brauchen wir verlässliche IT-Strukturen.

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